Nach der Erklärung der Staatsanwaltschaft Koblenz, die Ermittlungen zur Flutkatastrophe Ahrtal 2021 abgeschlossen zu haben und keine Anklage gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler zu erheben, erklärt Stephan Wefelscheid, Obmann der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“:
„Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft haben mich – mit der gebotenen Zurückhaltung formuliert – nicht wirklich überzeugt. Die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass es vergleichbare Hochwasser an der Ahr in menschenerdenklicher Zeit nicht gegeben habe, deckt sich nicht mit meinen Erkenntnissen. Wir haben gerade zu diesem Thema mehrere Sachverständige gehört. Darunter auch Dr. Thomas Roggenkamp, Verfasser des hydrologischen Gutachtens, das er im Auftrag der Staatsanwaltschaft Koblenz angefertigt hatte. Die Sachverständigen sprachen durchaus davon, dass das Hochwasser von 2021 keineswegs ein noch nie da gewesenes Ereignis gewesen sei. Und weil das so ist, hätte eigentlich auch nahegelegen, dass die Verantwortlichen entsprechende Alarm- und Einsatzpläne aufstellen. Die Landkreise sind verpflichtet, Alarm- und Einsatzpläne auch für Hochwasser zu erstellen (§ 5, Abs. 1, Nr. 4 LBKG), darauf aufbauend dann auch besondere Warnpläne, ergänzt um Evakuierungspläne, für insbesondere vulnerable Gruppen. Solche lagen aber – das stellt die Staatsanwaltschaft selber nicht in Abrede – nachweisbar nicht vor!
Solche erstellen zu lassen wäre aber die Verpflichtung des Landrates gewesen. Nun zu sagen, dass es sich bei einem Landrat aber nur um einen „Laien“, einen Wahlbeamten handle, bei dem es für die Wahl zum Amt keinerlei fachliche Bedingungen gäbe, verkennt, dass dieser aber im Zeitpunkt seiner Wahl mit Amtsantritt in die Rolle des führenden Katastrophenschützers kommt und insofern – ob er will oder nicht, ob er es kann oder nicht – die Aufgaben nach §§ 24, 25, 5, Abs. 1, Nr. 4 LBKG zu erfüllen hat. Die „Laien“-Rolle wandelt sich dann durch gesetzliche Stellung in eine Experten-Rolle.
Es wäre am Landrat gelegen gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass Alarm- und Einsatzpläne unter Berücksichtigung von Starkregenereignissen aufgestellt werden. Insbesondere vorbereitende Evakuierungspläne, welche nach dem RAEP-Hochwasser zwingend notwendig sind. Ich sage: Hätte es solche gegeben, hätte die Einsatzleitung diese aus der Schublade holen und umsetzen können. Ohne solche Vorbereitungsplanungen auf Kreisebene sind komplexe Evakuierungsmaßnahmen aber nicht umsetzbar. Zu sagen, dass selbst bei Vorliegen solcher Pläne man aber trotzdem nicht mit Gewissheit sagen könne, ob dann Menschenleben hätten gerettet werden können, unterläuft meines Erachtens das mit dem Gesetz dargestellte Schutzziel, nämlich die Gewährleistung einer wirksamen Gefahrenabwehr. Sollte diese Einschätzung der Staatsanwaltschaft Schule machen, würde dies meines Erachtens dazu führen, dass quasi jede Form von Unterlassen im Katastrophenfall als straffrei zu rechtfertigen wäre. Ob dieser enge Kausalitätsmaßstab in dem besonderen Fall staatlicher Garantenstellung für Katastrophenfälle also tatsächlich treffend sein kann, wage ich zu bezweifeln.“