Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“
FREIE WÄHLER-Obmann Stephan Wefelscheid nimmt zur Vernehmung des Krisenforschers Frank Roselieb wie folgt Stellung:
„Nachdem sich Frank Roselieb bereits in der Öffentlichkeit deutlich zu dem von der Staatsanwaltschaft beauftragten Gutachten von Prof. Dr. Dominik Gißler geäußert hatte, waren die heutigen Ausführungen überaus erhellend. Im Grunde ist dieses Gutachten nicht mehr haltbar.
Laut Roselieb habe Prof. Gißler einen mangelhaften Arbeitsansatz gewählt, der nicht zu einem belastbaren Resultat führen konnte. Er habe zwar Hypothesen aufgestellt, diese aber nicht zu Ergebnissen geführt, das sei jedoch eigentlich erwartbar gewesen. So erläuterte er etwa, dass es für eine solide Beurteilung notwendig sei, umfassende Daten und Erfahrungswerte auch zur quantitativen Beurteilung heranzuziehen. Das habe der Gutachter jedoch nicht getan und sich nur auf die offensichtlich unzureichenden Informationen gestützt, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt hatte. Informationen zu tatsächlich vorliegenden Kräften oder Erfahrungswerte aus Katastrophenschutzübungen etwa hätten gefehlt, wären aber für eine belastbare Analyse zwingend notwendig gewesen. Hier erwarte er von einem Gutachter, dass dieser die Realität abbilde, so Roselieb.
Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass Prof. Gißler sich nicht in der Lage sah, eine Computersimulation durchzuführen. Roselieb hingegen hat auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Datenbanken eine entsprechende Simulation durchgeführt, mit augenscheinlich deutlichen Ergebnissen. Eine 99,9-prozentige Sicherheit der Aussagen, wie sie von Prof. Gißler als erforderlich dargestellt wurde, könne jedoch in keinem Fall für Kontexte der Katastrophenbewältigung erreicht werden. Über eine derartige Vorgabe zeigte sich Roselieb sehr verwundert, für eine juristische Verwertbarkeit sehe er diesen Wahrscheinlichkeitsgrad nicht als erforderlich.
Zur Technischen Einsatzleitung führte er aus, dass diese eine Schnittstellenfunktion habe und keinesfalls alleine für alles zuständig sei. Vielmehr müsse der Kontakt zu anderen Katastrophenschutzorganisationen wie etwa DRK, Malteser etc. gesucht und deren Kapazitäten eingebunden werden. Auf meinen Vorhalt der Aussagen von einem Vertreter der Bundeswehr hin, diese sei im Ernstfall sofort einsatzbereit, betonte Roselieb, es „gebe keine andere Einrichtung, die in der Lage ist, so schnell Hilfe zu leisten.“ Ich schließe daraus, dass die Bundeswehr durchaus als „Retter in der Not“ hätte einspringen können. Damit ist für mich klar: Eine „Quick-and-dirty“-Evakuierung wäre möglich gewesen, sie hätte nur angewiesen werden müssen.
Zu der damaligen Aussage des Gutachters Gißler, es habe ein Systemproblem gegeben, kommentierte Roselieb, der Katastrophenschutz des Landes Rheinland-Pfalz liege im Durchschnitt der Länder. Es gebe kein Systemproblem, vielmehr einen „Systemsprenger“: Den Landrat Pföhler, der sich über die Vorgaben des Katastrophenschutzes hinwegsetzte, keinen Verwaltungsstab einrichtete und in der Flutnacht den Steuerstand verließ.“
Wenngleich es nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist, die juristische Aufarbeitung zu betreiben, schaut Wefelscheid – selbst Rechtsanwalt von Beruf – gespannt auf die weitere Ermittlung der Staatsanwaltschaft: „Da ist jetzt einiges an neuem Material, dass die STA auswerten kann. Ich bin gespannt, zu welchen – baldigen – Ergebnissen die Staatsanwaltschaft kommt.“