60. Plenarsitzung – Stephan Wefelscheid zum “Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG)”

Gesetzentwurf der FREIE WÄHLER-Fraktion – Zweite Beratung

Gerade haben wir über Änderungen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz (POG) debattiert, nun tun wir es wieder. Zeigt dies doch den Überarbeitungsbedarf an der jetzigen Fassung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes. Die Gesetzesentwürfe hierzu stammen in dieser Wahlperiode ausnahmslos von den Oppositionsparteien; den FREIEN WÄHLERN und den Kollegen der CDU.

Nun wissen wir seit Anfang Februar 2024, auch das Innenministerium arbeitet an einer umfassenden Überarbeitung des POG und Minister Ebling will (Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Pressemeldung des Innenministeriums vom 6.2.24): „Polizei mit neuem Gesetz für das 21. Jahrhundert aufstellen“, um mit einem „Polizeigesetz auf der Höhe der Zeit“ einen „modernen Handlungsrahmen“ zu schaffen, „um die rheinland-pfälzische Polizei für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu rüsten“.

Herr Minister Ebling, die im Regierungsentwurf aufgegriffenen Änderungen des POG sind zu begrüßen, wenn auch überfällig. Die Befugnis für den Einsatz von Bodycams in Wohnungen und dem Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten derselben, haben wir gerade bei TOP 4 auf Anstoß der CDU diskutiert. Das zwangsweise Anlegen der elektronischen Fußfessel wird uns noch näher beschäftigen, wenn der Regierungsentwurf in diesem Jahr im Plenum behandelt wird.

Der tragische Vorfall in Edenkoben im September letzten Jahres, der uns hier in Rheinland-Pfalz vor Augen geführt hat, wie dringend wir eine Rechtsgrundlage für das Anlegen einer elektronischen Fußfessel, notfalls auch mit unmittelbarem Zwang, benötigen, war auch mit Anlass für den von den FREIEN WÄHLER im Oktober 2023 eingereichten Gesetzentwurf zur Erhöhung der polizeilichen Gewahrsamsdauer in § 17 Abs. 2 POG auf 14 Tage und die Einführung einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit.

Das Anwendungsfeld für den polizeilichen Gewahrsam ist breit, wie uns die Stimmen aus der Praxis im Rahmen des Anhörverfahrens gezeigt haben. Fälle des Terrorismus und Extremismus sind hier zu nennen, ebenso wie Fälle häuslicher Gewalt oder angekündigte massive Ausschreitungen bei Fußballspielen.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Stefanie Loth stellte in ihrer Stellungnahme und im Anhörverfahren klar heraus: „Es sind Anwendungsbereiche denkbar, die ein solches Bedürfnis nötig machen können. Da kann so etwas Sinn machen, dass es auch etwas länger ist. Es wirkt auch abschreckend, kann man sagen. Der Vorschlag der Anhebung der Anzahl der Tage der präventiven Ingewahrsamnahme durch die FREIE WÄHLER findet unsere Unterstützung.“

In die gleiche Richtung war auch das Votum vom ehemaligen Dozenten an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und der Polizei in Rheinland-Pfalz und Verfasser des führenden Kompendiums zum Polizei- und Ordnungsrecht Rheinland-Pfalz Dietrich Rühle: „Eine Verlängerung des Vorbeugegewahrsams nach § 17 POG auf zumindest 14 Tage wäre rechtmäßig und sogar geboten.“

Und neben den Stimmen aus der Praxis waren sich auch die Rechtsgelehrten weitestgehend einig: Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen unseren Gesetzentwurf, insbesondere der Richtervorbehalt ist gewahrt. Und meine Damen und Herren, ich kann Ihnen auch sagen, warum dies so ist: Nicht nur haben wir uns vorab intensiv mit den verschiedenen Regelungen in den anderen Bundesländern und der Rechtsprechung auseinandergesetzt, sondern auch – und dies möchte ich hier nochmal betonen- wollen wir mit dem vorliegenden Entwurf nichts am Gewahrsamsgrund ändern, sondern nur an der Gewahrsamsdauer.

Erhellend war für mich – als Parlamentarier und Jurist – aber, dass kritische Stimmen gegen unseren Gesetzesentwurf, wie etwa Professor Matthias Bäcker von der hiesigen Johannes Gutenberg-Universität Mainz, bereits die aktuelle Ausgestaltung des § 17 Abs. 2 POG als „missglückt“ ansehen, weil dieser für die längere Gewahrsamsdauer von bis zu sieben Tagen auch die Variante der Platzverweisung umfasst. Er sah hier, wie auch weitere juristische Kollegen, Überarbeitungsbedarf.

Vielleicht, Herr Minister Ebling, sollten Sie da nochmal einen Blick in das Protokoll der Sitzung des Innenausschusses vom 11. Januar werfen und dies bei ihrem Entwurf zum neuen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz noch kurzfristig berücksichtigen?

Und ein Blick ins Protokoll der damaligen Innenausschusssitzung offenbart noch einen weiteren interessanten Aspekt zur geäußerten Kritik an unserem Gesetzentwurf – Stichwort: Zwei Juristen, drei Meinungen. Reagierten doch die bayrischen Rechtsprofessoren Prof. Lindner und Prof. Schwarz hinsichtlich der Aussage ihres Kollegen Prof. Zöller, dass es keine einschlägige Rechtsprechung und Positionierung des bayrischen Verfassungsgerichtshofs zur Frage der Gewahrsamsdauer gäbe, mit deutlichem Unverständnis. Gesteigert von der Offenbarung, dass Prof. Zöller selber an noch laufenden Klageverfahren vor dem bayrischen Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht beteiligt sei. Ein Sachverständiger, der zugleich Prozessvertreter in laufenden Verfahren ist und Eigeninteressen verfolgt, ist mir hier zum ersten Mal begegnet.

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Hinweis auf die klare Aufgabenzuweisung an die Polizei in § 1 POG: Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Sie hat Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können (Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr). Die Polizei hat im Rahmen der Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten). Nicht ohne Grund ist die freiheitsentziehende Maßnahme des Gewahrsams aus präventiven Gründen engen Voraussetzungen unterworfen. Nicht ohne Grund ist der Zeitraum für diese Maßnahme nur vorübergehend ausgestaltet. Nicht ohne Grund bedarf es einer richterlichen Entscheidung für die festzulegende Dauer der Freiheitsentziehung. Nicht ohne Grund haben andere Bundesländer mittlerweile eine längere Höchstdauer der präventiven Freiheitsentziehung als Rheinland-Pfalz oder diskutieren eine solche.

Gehen wir hier gemeinsam den Schritt nach der letzten Novellierung im Bereich des Gewahrsams und der Gewahrsamsdauer im Jahr 2004 ein modernes Polizeirecht zu schaffen, um damit der Polizei auch zukünftig die für die Gewährleistung der inneren Sicherheit erforderlichen Befugnisse zur Verfügung zu stellen und auf die heutigen Herausforderungen reagieren zu können.

Denn wenn die Vertreter unserer Polizei das Bedürfnis sehen und es aus ihrer Sicht auch Sinn macht, dass der Gewahrsam etwas länger ist und juristisch keine zwingenden Gründe entgegenstehen, sollten wir diesen Schritt für die Zukunft auch gehen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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