Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Minus 38 Mio. Euro im Ergebnishaushalt, Minus 50,7 Mio. Euro im Finanzhaushalt – das ist wirklich nicht schön.
Das ist jetzt der 16. Haushalt den ich mit beraten habe und verabschieden werde und die negativen Zahlen kamen mir irgendwie bekannt vor:
Ich habe da mal in meinem privaten Archiv nachgesehen und voilà, gefunden: Meine Haushaltsrede vom April 2011. Dem jetzigen Kulturdezernenten Ingo Schneider müssten die nachfolgenden Worte bekannt vorkommen, er hat damals nämlich, als er noch auf dem Platz vom Jan Lindner saß, den Artikel für die RZ dazu geschrieben.
„Am 19. Februar 2010, damals noch unter OB Dr. Schulte-Wissermann, wurde ein Haushalt verabschiedet, der im Ergebnis ein Defizit von 72 Mio. Euro und ein Finanzmittelfehlbetrag von 106 Mio. Euro aufwies. Der nun vorgelegte Haushaltsentwurf für das Jahr 2011 weist im Ergebnis einen Jahresfehlbetrag von 57,4 Mio. Euro und im Finanzhaushalt einen Finanzmittelfehlbedarf von 40,7 Mio. Euro aus, ohne dass auch nur ansatzweise zu erkennen wäre, wie diese Fehlbeträge mittel- oder langfristig jemals abgebaut werden können. Auf die Ursachen und die Folgen habe ich bereits in meiner Haushaltsrede von 2010 hingewiesen, die da wären:
- Strukturelle Probleme wie die Abhängigkeit von der konjunkturbedingten Gewerbesteuer auf der Einnahmenseite sowie
- Steigenden Pflichtaufgaben im Bereich Jugend und Soziales bei gleichzeitig mangelhafter Finanzausstattung durch Bund und Land, sowie steigende Personal- und Versorgungsaufwendungen auf der Ausgabenseite.
Hinzu kommt eine bereits jetzt schon exorbitant große Schuldenlast, die bei steigenden Zinsen die Abwärtsspirale beschleunigen wird. Die Folgen einer solch ungebremsten Entwicklung führen zwangsläufig dazu, dass das städtische Vermögen in naher Zukunft aufgezehrt sein wird.“
Der jetzige OB Langer hat das in seiner Einbringungsrede zum HH 2025 ausgedrückt wie folgt:
„…Der defizitäre Haushalt ist für uns alle eine sehr schwierige Situation. Vor allem, weil die Gründe für das hohe Defizit fast gänzlich außerhalb unseres Handlungsrahmens liegen. Die stagnierende wirtschaftliche Lage, Preissteigerungen, hohe Sozialkosten aufgrund geänderter Gesetzgebung im Bund, die Zinsentwicklung und auch die Tarifsteigerungen führen zu diesem Defizit…“
Hört sich ganz ähnlich an, außer dass es bei mir 15 Jahre her ist und sich auf die HH 2010 und 2011 HH bezog. Damals regierten im Bund der Tigerentenclub aus CDU und FDP. Dann kam die Zeit der sog. Großen und weniger großen Koalitionen aus CDU und SPD. Zuletzt die sog. schlechte Ampel aus SPD, FDP und Grünen.
Ich frage mal in die Runde: Hat sich an der Frage der steigenden Sozialausgaben und der Zunahme an Pflichtaufgaben was geändert? Nö. Statt weniger, wird es immer mehr. Das rundum sorglos Paket für alle.
Wer das bezahlt, egal.
Den Letzten beißen die Hunde.
Bei OB Langner klingt das dann so:
„…Eine gewichtige Ursache ist erstens im Bereich „Soziales und Jugend“ verortet, der mit 233,3 Mio. Euro über 41,5 % der Gesamtaufwendungen ausmacht. Die Kosten hier sind um 20,3 Mio. Euro zum Vorjahr gestiegen, was auf gestiegene Vergütungsansätze im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe und gestiegenen Fallzahlen zurückzuführen ist. Gleiches gilt für den Bereich der Sozialhilfe….
…Zweitens entstehen bei unseren „Personal- und Versorgungsaufwendungen“ Mehrkosten in Höhe von 8,8 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg ist maßgeblich beeinflusst durch die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Anlehnung an den Tarifabschluss im TVöD….
…Drittens steigen verschiedene Kosten für Sachaufwendungen über 4 Mio. Euro…
Und viertens verursachen die Zinsen für unsere Investitions- und Liquiditätskredite Mehrkosten von rund 4,2 Mio. Euro. Ursächlich hierfür sind der stetig steigende Investitionskreditbedarf, aber auch die neu aufzunehmenden Liquiditätskredite angesichts des für 2025 geplanten hohen Defizits – mit neuen Zinsen…“
Und im Bereich der Fluchtaufnahme sieht es auch nicht besser aus! Das Jahresergebnis sinkt von plus 2,9 Mio. Euro in 2024 auf Minus 5,8 Mio. Euro in 2025. Es fehlen schlicht die Einnahmen, der Geldhahn des Landes ist zu.
Auf dieses Problem hatte ich letztes Jahr in meiner Rede ausdrücklich hingewiesen! Diese Finanzierungslücke war absehbar, weil das Land keine grundsätzliche Zusage für die Zukunft gemacht hat, sondern mit dem Titel „Globale Mehrausgaben zur Abmilderung der Folgen des Ukrainekrieges“ nur eine Einmalzahlung für das Jahr 2024 getroffen hat! Man hat vermutlich darauf gehofft, dass sich das Problem im Jahr 2024 von selbst auflöst. Hat es aber nicht. Und wird es angesichts der Lage in der Ukraine und andernorts auch nicht so schnell, wie manch einer mit Blick auf die Lage in Syrien nach dem Sturz von Assad zu hoffen glaubt.
An der Stelle sei mir an all diejenigen im Raum, die jetzt reflexartig die Rückkehr aller syrischen Flüchtlinge nach Syrien fordern, der Hinweis gestattet, dass viele von denen mittlerweile hier in Deutschland arbeiten und ihre überstürzte Ausreise manchen Arbeitgeber vor erhebliche Probleme stellen wird, ich denke da an unsere Krankenhäuser, die Pflege und den Dienstleistungssektor insgesamt. Also Vorsicht, mit solchen scheinbar populistischen Wünschen!
Uns stellt sich angesichts des Defizites von 5,8 Mio. Euro allerdings die Frage: Wieso sollen wir als Stadt auf unsere Kosten 1,4 Mio. Euro für einen Sicherheitsdienst für die Asylbewerberunterkunft tragen? Soll das Land doch mit seinem Personal auf seine Kosten für die Sicherheit sorgen.
Wir stellen daher den Antrag, diese 1,4 Mio. Euro auf Seite 259 des HH im Produkt 1229 „Unterbringungskoordination, Aufenthalt und Asyl“ Zeile 10 zu streichen.
Aber selbst wenn Sie diesem Antrag folgen, bleibt immer noch ein Defizit von 36,6 Mio. Euro.
Und da ist klar: Wie in den zurückliegenden, schwierigen Haushaltsjahren wird es neben Sparanstrengungen ohne Steuererhöhungen nicht gehen, wenn man das Ziel verfolgt einen genehmigten Haushalt zu erhalten. OB Langner hat es in seiner Einbringungsrede klar gesagt:
„Beide Steuererhöhungen schlagen wir Ihnen nicht leichtfertig vor, gerade nicht in den aktuellen Zeiten. Aber sie sind leider auf dem Weg zu einem genehmigungsfähigen Haushalt notwendig.“
Die FREIE WÄHLER Fraktion teilt die Einschätzung von OB Langner. Von Vertretern des Städtetages wurde mir übereinstimmend berichtet, dass der Innenminister für Haushaltsgenehmigungsverfahren die klare Erwartungshaltung hat, dass zumindest Aufkommensneutralität bei der Grundsteuer und eine leichte Erhöhung bei der Gewerbesteuer erfolgen muss. Wer das nicht bringt, hat schlechte Karten.
Dass nur dies der Weg zu einem genehmigten Haushalt sein kann, zeigt auch das aktuelle Agieren der anderen Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz. Der Vorschlag der Verwaltung, die Grundsteuer B auf 551 v.H. und die Gewerbesteuer von 420 v.H. auf 440 v.H. zu erhöhen, erscheint da im Vergleich noch moderat. Wie hatte bei der Verabschiedung von OB Schulte-Wissermann die damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Anne Schumann-Dreyer mit Blick auf die Koblenzer Finanzen gesagt: „Viele Gemeinden stehen vor dem Abgrund, manche sind schon ein Schritt weiter.“
Schauen wir uns die aktuellen Hebesätze Grundsteuer B mal an:
Mainz: von 480 auf 600
Pirmasens: von 570 auf 700
Kaiserslautern: von 610 auf 985
Trier: von 550 auf 600
Neuwied: von 610 auf 836
Lahnstein: von 480 auf 990
Da liegen wir mit einer Aufkommensneutralität von im Schnitt 551 v.H. noch vergleichsweise gut. Auch wir FREIE WÄHLER wollen allerdings die 2. Alternative des Beschlussvorschlages und uns erst mal offenhalten, ob wir es bei einem einheitlichen Hebesatz für alle belassen, oder ob wir den Weg der gesplitteten Hebesätze auf Wohn- und Gewerbeimmobilien gehen. Hier wollen wir die konkreten Auswirkungen des Gesetzesentwurfs der Mainzer Ampel erst mal untersuchen. Denn auch eine „gute“ Ampel, kann schlechte Gesetze machen! Ich könnte da eine ganze Reihe von aufzählen…
Da die letzte Gewerbesteueranpassung 10 Jahre her ist und die Inflation seitdem im Schnitt 2,2 % pro Jahr gestiegen ist, erachten wir die moderate Anhebung der Gewerbesteuer von 420 v.H. auf 440 v.H. für gerade noch so vertretbar. Wer bisher 10.000 Euro Gewerbesteuer im Jahr zahlen musste, zahlt künftig 10.476 Euro Gewerbesteuer, also 476 Euro mehr. Wenn diese Anpassung dazu beitragen kann, von der ADD den Haushalt genehmigt zu bekommen, müssen wir den Schritt gehen. Ob wir wollen oder nicht. Es sei denn, man möchte die haushaltslose Zeit riskieren. Das entspricht aber weder unserem Verständnis von verantwortungsvoller Politik, noch liegt es in unserem politischen Interesse. Denn dafür stehen zu viele Einrichtungen und Projekte auf dem Spiel die uns FREIEN WÄHLER wichtig sind:
- Die konsequente Fortsetzung der Digitalisierung unserer Schulen
- Die Erstellung eines Wohnraumversorgungskonzeptes
- Der Ausbau von Kita- und Ganztagsschulplätzen
- Der Bau neuer Kindertagesstätten, etwa in der Goldgrube oder in Bubenheim
- Der Grundschulausbau, etwa auf der Karthause, in Moselweiß, in Kesselheim und Wallersheim
- Der Bau einer neuen Haupttribüne für unser Stadion Oberwerth
- Die Sanierung der Außenanlagen Schmitzers-Wiese
- Die Fortsetzung des Großprojektes „Kernsanierung Stadttheater“
- Die energetische Sanierung unsrer Liegenschaften, wie etwa der Grundschulen am Löwentor und Pfaffendorfer Höhe sowie dem Görres- und Max-von-Lau-Gymnasium
- Der Neubau des Dorfgemeinschaftshauses in Arenberg-Immendorf
- Die Investition in das Gülser Bühnenhaus
- Der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Horchheim
- Die Umsetzung von Projekten des Klimaschutzes
- Der Start der kommunalen Wärmeplanung
- Die Auszahlung der Zuschüsse an soziale und gemeinnützige Träger
- Neubau der Geh- und Radwegebrücke Rauental-Goldgrube
Wie lange schon warten die Bewohner auf diese wichtige Verbindung! Wir sind froh, dass der Neubau jetzt endlich los geht. Unser Dank gilt auch Herrn Dr. Miffka für seine Zusage, bei der Planung die Nachrüstung mit einem Fahrstuhl zu berücksichtigen. Dies bedeutet für Sie und ihr Team zwar nochmal mehr Arbeit, wir wissen Ihre Flexibilität aber zu schätzen.
- Und letztlich auch: Der Neubau der Pfaffendorfer Brücke
Die Gesamtkosten belaufen sich laut HH aktuell auf 192.814.000 Euro, bei einer Bezuschussung durch das Land von lediglich 84.242.500 Euro! Die Stadt geht zwar von einer Bezuschussung von rund 114 Mio. Euro aus. Diese 114 Mio. Euro finden sich aber nicht im aktuellen Landeshaushalt für 2025/26, da stehen nämlich nur die besagten 84 Mio. Euro! Ich habe deswegen für kommende Woche einen Änderungsantrag zum Landeshaushalt eingebracht, in dem ich diese Differenz in Höhe von 30 Mio. Euro in den Landeshaushaushalt eingestellt haben möchte.
Herr von Heusinger, Frau Dr. Köbberling, springen Sie nächste Woche über Ihren Schatten und beweisen Sie, dass die gute Ampel auch gute Gesetze machen kann! Tun Sie es nicht für mich, tun Sie es für unsere Heimatstadt Koblenz!
All diese für unsere Stadt wichtigen Projekte stünden auf Stopp, wenn der Haushalt nicht genehmigt würde. Und nicht zuletzt auch die Zukunft des GKM. Hier steht sehr viel auf dem Spiel. Ein Scheitern des eingeschlagenen Sanierungskonzeptes ist nicht akzeptabel und würde die medizinische Versorgungssicherheit der gesamten Region gefährden. Um auch dort notfalls erneut finanziell stützend tätig zu werden, braucht es einen genehmigten Haushalt. Das ist wichtig, um flexibel reagieren zu können und auch Verhandlungen aus einer soliden Position geordneter Finanzen führen zu können.
Ich wiederhole daher abschließend: Eine haushaltslose Zeit ist für uns FREIE WÄHLER keine Option. Angesichts der dargelegten Gesamtumstände werden wir daher der Empfehlung des Oberbürgermeisters folgen und dem Haushalt zustimmen.