Fakt ist: Wenn Putin den Gashahn zudreht, könnte es bei uns im Winter bereits zu Versorgungsengpässen kommen. Aber auch aus dringenden Gründen des Klimaschutzes ist es unabdingbar, den Weg in die Unabhängigkeit von den fossilen Importen zu suchen.
Fakt ist aber auch: Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht viel zu langsam. In der gebotenen Kürze möchte ich dartun, welche Problemstellungen aus meiner Wahrnehmung bestehen:
Investitionen in Photovoltaik werden systemisch ausgebremst
Johannes Heger, Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland Pfalz (LVU), hat Recht wenn er sagt, dass die Planungsverfahren beschleunigt werden müssen. Wenn es bei der Planung eines Solarparks acht Jahre vom Bauantrag bis zur Fertigstellung dauert, werden wir die gesetzten Klimaziele nicht erreichen.
Er hat auch Recht wenn er sagt, dass zur Beschleunigung endlich die Abwägung zwischen Artenschutz und Ausbau der Erneuerbaren geklärt werden muss. Denn ohne Klimaschutz wird sich das Ökosystem zwangsläufig schnell verändern, dann nützt auch der beste Artenschutz nichts mehr. Wenn ich höre, dass großflächige Photovoltaikanlagen im Außenbereich nicht weiter verfolgt werden, weil die Fortschreibung des LEP 4 ansteht, dann stimmt was nicht.
Weiteres Problem: Die zu geringe Einspeisevergütung bei teilweisem Selbstverbrauch. Eine Steigerung der Einspeisevergütung ist zwar beschlossen, aber nur für Volleinspeiser. Sobald man einen Teil selber verbrauchen will, erhält man keine höheren Einspeisevergütungen. Das ist kontraproduktiv, da ja jede Eigennutzung das Netz entlastet. Da die Eigennutzung finanziell attraktiver ist, wird auf die Nutzung eines Teils der Dachfläche verzichtet – oder auf die Eigennutzung, wenn maqn die höhere Vergütung will. Das war ein großer handwerklicher Fehler von Habecks Ministerium bei der Novellierung des EEG!
In der Praxis führt das zu der absurden Situation, dass erst die eine Dachhälfte eine Anlage für die Eigennutzung erhält, dann ein Jahr gewartet wird und dann die andere Dachhälfte eine Anlage zur Volleinspeisung erhält. Absurd.
Es fehlen ausreichend Energiespeicher
Ohne Energiespeicher kann die Volatilität der regenerativen Stromgewinnung mittelfristig nicht kompensiert werden. Es braucht sowohl zentrale Speicher als große Puffer (Pumpspeicher, Batteriekraftwerke) als auch dezentrale Speicher bei Abnehmern (E-Tankstellen, Gewerbe, Wohnquartiere etc.) und Erzeugern, gerade mit Spitzenlasten. Damit wird das Netz entlastet und ausgelastet, „Dunkelflauten“ können ausgeglichen werden, das Risiko von Stromausfällen verringert sich erheblich. Vorteil daran: International erhält Deutschland einen gewaltigen Marktvorteil als Stromexporteur (kann immer zum besten Preis verkaufen und Überkapazitäten aufbauen).
Der Wärmemarkt ist unterentwickelt
Gas- und Ölheizungen sind für einen großen Teil des Verbrauchs fossiler Brennstoffe in Deutschland verantwortlich (390 TWh bzw. rund 58% der verbrauchten Energie der Privathaushalte in 2020, 16,7% des gesamten Energiebedarfs in Deutschland 2020 inklusive Strom und Verkehr). Aktuelle Lösungsansätze wie Pelletheizungen und Wärmepumpen sind nur bedingt einsetzbar (knappes Angebot an Holzpellets und lange Importstrecken, Wärmepumpen sind nur schlecht in Altbau nachzurüsten und bei unzureichender Dämmung teuer). Die Alternativen sind die Nah- und Fernwärme.
Besonders interessant ist hier die Nutzung von Abwärme aus der Industrie und von Kraftwerken. Hierfür müssen entsprechende Infrastrukturen geschaffen werden, um die Abwärme von Industriebetrieben, die sonst meist in die Luft abgeleitet wird (Kühltürme, Schornsteine…), günstig abzunehmen und damit die Privathaushalte zu heizen. Nebeneffekt: Auch hierbei kann Energie kurz- und mittelfristig gepuffert werden (erhitztes Wasser wird in Speichern gesammelt und bei Bedarf an die Haushalte geleitet).
Fazit: Je mehr Haushalte unabhängig werden von der Gasheizung, desto geringer wird die Abhängigkeit von importiertem Erdgas. Dabei möchte ich aber auch klarstellen: Die Gasverteilnetze sind ein wichtiger Bestandteil der bestehenden Versorgungsinfrastruktur. Sie liegen im Boden und bilden ein Netz, durch das nicht nur Erdgas geleitet werden kann. Gasverteilnetze sind weiterhin wichtig, für den Transport von Wasserstoff und grünem Gas (dekarbonisiertes Gas) gewonnen aus regenerativer Energie (Biogasanlage).
Die Mobilitätswende geht zu langsam
Unabhängigkeit von Erdöl muss schneller erfolgen, der Verkehrssektor als größter Ölverbraucher ist daher vor allem gefordert. Daher: Umstieg auf alternative Antriebe. Dabei ist zu bedenken: Wasserstoff ist nur bedingt einsatztauglich (Probleme bei Lagerung, Transport, niedriger Wirkungsgrad bei Elektrolyse etc.), künstliche Kraftstoffe (BTL, Methanisierung) haben ebenfalls geringe Wirkungsgrade. Daher ist Elektromobilität absehbar die erfolgversprechendste Technologie (zumindest im Individualverkehr), ABER: Hier gibt es Probleme bei Ressourcenbeschaffung (Seltene Erden, u.A. Lithium) und eine unzureichende Netz- und Ladeinfrastruktur. Der Auftrag an die Politik lautet: die Netze müssen dringend ertüchtigt, Ladepunkte massiv zugebaut und Anreize geschaffen werden, vom Individualverkehr auf den ÖPNV umzusteigen.
Damit komme ich nochmal zum Problem bei der Ressourcenbeschaffung (Seltene Erden, u.A. Lithium). Das im Oberrheingraben entdeckte Lithiumvorkommen scheint enorm: 15 Mio Tonnen in Thermalwasser werden mindestens vermutet, aktuell liegt der weltweite Jahresbedarf bei rund 90.000 Tonnen, Preis pro Tonne Lithiumcarbonat rund 42.000 Euro. Ich habe aus diesem Grund die Firma Vulcan Energie in Karlsruhe besucht, die sich zum Ziel gesetzt hat dieses Lithiumvorkommen abzubauen. Dabei wird minimalinvasiv das Thermalwasser gefördert, das Lithium extrahiert und das Wasser wieder zurück in die Tiefe gebracht. Der positive Nebeneffekt: Abwärme. Da das geförderte Thermalwasser sehr heiß ist, kann diese Wärme zur Versorgung ganzer Ortschaften genutzt werden. Die Wärme wird über Heizungsnetze und eine Reihe unterirdischer Rohre übertragen, die die Gebäude in der Gemeinde mit Heißwasser oder Dampf versorgen.
Beispiel: Im Mai haben Vulcan Energie und das Mannheimer Energieunternehmen MVV Grüne Wärme einen über 20 Jahre laufenden Wärmeliefervertrag unterzeichnet. Im Rahmen der Vereinbarung, die 2025 in Kraft treten soll, wird Vulcan erneuerbare Wärme mit einem Gesamtvolumen zwischen 240 und 350 Gigawattstunden pro Jahr an MVV liefern. Solche Projekte erscheinen auch auf der rheinland-pfälzischen Seite möglich. Was es dafür allerdings braucht, sind schnelle bergbaurechtlichen Genehmigungsverfahren und eine Akzeptanz bei der örtlichen Bevölkerung für derartige Projekte.
Und da sind wir aus meiner Sicht letztendlich bei einem der Hauptprobleme, warum die gesamte Energiewende so schleppend verläuft: Solange es heißt Windkraft ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür, solange es heißt Photovoltaik, aber bitte nicht in der Sichtachse des Unesco Welterbes, solange es heißt Geothermie ja, aber bitte nicht bei mir im Ort, solange wird das nix mit der schnellen Energiewende. Hier bedarf es eines gesamtgesellschaftlichen Umdenkens, flankiert durch beschleunigte Genehmigungsverfahren und ein Einspeisevergütungssystem, das Anreize zur Investition setzt, statt auszubremsen. Die Regierung ist gefordert zu handeln. Die Zeit läuft ab.
Es gilt das gesprochene Wort.