Was ist dran an den damaligen Aussagen des ehemalige Koblenzer Oberbürgermeisters Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig in Bezug auf die damalige Haltung der Landesregierung?
Gab es zwischen den Jahren 2012 und 2022 Treffen zwischen Vertretern der Landesregierung – insbesondere des damaligen Staatssekretärs David Langner – und der Sana AG in Bezug auf deren Kaufinteresse am GKM und wenn ja, was hatten diese zum Inhalt?
Diesen und anderen Fragen rund um die Privatisierung des Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH bin ich im Rahmen einer Kleinen Anfrage (Drucksache 18/3807) einmal nachgegangen.
Doch der Reihe nach:
Mit Grundsatzbeschluss vom 21. Juli 2022 (BV/0446/2022) hat der Stadtrat Koblenz die Zustimmung zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH (GKM) durch die Sana Kliniken AG gegeben. Auch der Kreistag Mayen-Koblenz hat mit Grundsatzbeschluss vom 20. Juli 2022 (2022/1.10/024) seine Zustimmung zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH (GKM) durch die Sana Kliniken AG gegeben. Damit wurden die Weichen für die Privatisierung dieses großen kommunalen Krankenhauses gestellt.
Das Interesse eines privaten Investors am GKM ist nicht neu. Bereits 2012 gab es Kaufinteresse eines privaten Investors am GKM. Im Jahr 2012 war die heutige Ministerpräsidentin Malu Dreyer Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz. Wie aus Stadtratsprotokollen der Stadt Koblenz hervorgeht, berichtete der damalige Oberbürgermeister Prof. Dr. Hofman-Göttig davon, dass die damalige Ministerin Dreyer davon abgeraten habe auf das Angebot des privaten Investors einzugehen, sondern dazu geraten habe, in kommunaler Struktur zu verbleiben, den Weg des Verbundkrankenhauses zu gehen und sich mit dem kirchlichen Träger zu verbinden.
Im Protokoll der öffentlichen Stadtratssitzung vom 13.03.2014 TOP 1 heißt es in der Rede des damaligen OB Prof. Dr. Hofman-Göttig: „… Wir haben uns deswegen auch mit der Alternative beschäftigt, ob eine Privatisierung oder Teilprivatisierung des Gemeinschaftsklinikums zu verfolgen wäre. Ich gebe zu, unter dem Gesichtspunkt der Kämmerei, eine durchaus verlockende Perspektive. Wir hätten Geld bekommen und gleichzeitig Risiken gemindert. Aber diese Alternative wäre ohne Frage schlecht für die Gesundheitsversorgung, denn man muss sich immer darüber im Klaren sein, dass der kammerale Erfolg der Privatisierung dem Grunde nach auf einem ganz einfachen Rezept basiert. Der Privatier durchleuchtet das Finanzkonstrukt und trennt sich von allen unwirtschaftlichen Abteilungen und behält nur die Profitablen, mit dem Ergebnis, dass über kurz oder lang das Krankenhaus entkernt worden wäre um all jene Abteilungen, die nicht Gewinnbringer sind und damit die Gesundheitsvorsorge für die breite Masse der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet wäre. Dasselbe gilt für die Arbeitsplätze. Die Privatisierung von Krankenhäusern, dass sehen wir im ganzen Land, führt regelmäßig zu einem deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen in Folge der Wegrationalisierung von ganzen Abteilungen. Ein Grund weshalb diese Privatisierungen überall in Deutschland nur gegen erheblichen Widerstand der Bediensteten, der Betriebsräte und der Gewerkschaften durchsetzbar sind, wenn überhaupt.
…
Das Land hat zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht, schon im Gespräch mit der damaligen Sozialministerin Malu Dreyer, dass sie den Weg der Privatisierung nicht unterstützten würde, den der Kooperation oder Fusion aber gerne, und uns deswegen ermutigt, diesen Weg mitzugehen und uns in Aussicht gestellt hat, dieses auch mit guten Mitteln zu unterstützen. Wir haben zwischenzeitlich Übereinstimmung erzielen können, wie diese Unterstützung aussehen wird.
…
Ich möchte mich deswegen bei der Landesregierung, insbesondere beim Sozialminister Alexander Schweitzer und beim Staatssekretär David Langner, in aller Form für diese sachgerechten und guten Verhandlungsergebnisse und klaren Zusagen, angesichts der heute anstehenden Entscheidung, herzlich bedanken.“
Der damalige Staatssekretär im Sozialministerium war der heutige Oberbürgermeister von Koblenz, David Langner. Nunmehr 10 Jahre später wurde der Verkauf des GKM an einen privaten Investor eingeleitet. Mit Schreiben vom 04.07.2022 hat Minister Clemens Hoch dem Herrn Oberbürgermeister David Langner bestätigt, dass das Land sich mit einer Förderungsquote zwischen 60 % und 90 % an den förderfähigen Kosten der Bauabschnitte für die Einstandortlösung in Koblenz beteiligen wird und dass diese Zusage selbstverständlich unabhängig von der Trägerstruktur des GKM sei.
Vor diesem Hintergrund habe ich die Landesregierung gefragt:
1. Wie beurteilt das Land die Privatisierung des GKM im Hinblick auf die möglichen Folgen für die Krankenhausversorgung in der Region Mittelrhein (Stichwort: Ein-Standort-Lösung) und vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2012 die damalige zuständige Ministerin Malu Dreyer dringend von der Privatisierung abgeraten hat?
2. Wie erklärt sich aus Sicht des Landes Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund der landesseitigen Krankenhausförderung die Aussage von Minister Clemens Hoch in seinem Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt Koblenz vom 4. Juli 2022, dass die 60 bis 90 Prozent Förderzusage „selbstverständlich“ unabhängig von der Trägerstruktur des GKM sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Höhe der Förderzusage im Jahr 2012 nur in Ansehung des Umstandes in Aussicht gestellt wurde, dass das GKM nicht privatisiert wird?
3. Wie beurteiltet die Landesregierung in Ansehung der Sicherung der langfristigen ausreichenden Gesundheitsversorgung in der Region Mittelrhein die Aussage des ehemaligen Staatssekretärs und ehemaligen Oberbürgermeisters der Stadt Koblenz Prof. Dr. Hofman-Göttig, wonach „die Alternative der Privatisierung ohne Frage schlecht für die Gesundheitsvorsorge wäre und der Privatier sich von allen unwirtschaftlichen Abteilungen trennen und nur die Profitablen behalten könnte, mit dem Ergebnis, dass über kurz oder lang das Krankenhaus entkernt werden könnte, um all jene Abteilungen, die nicht Gewinnbringer sind und damit die Gesundheitsvorsorge für die breite Masse der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet wäre“?
4. Beabsichtigt die Landesregierung an die Zahlung von Zuschüssen an Bedingungen zu knüpfen, z. B. den Erhalt der Standorte Mayen, Nastätten und Boppard in ihrer jetzigen Form?
5. Welche essenziellen Eckpunkte umfasste die zwischen dem Gesundheitsministerium und dem GKM ausgehandelte Vereinbarung aus dem Jahr 2014, insbesondere im Hinblick auf Laufzeit, konkreter Gegenstand, Indexbindung und Auflagen für die Standortsicherung?
6. Gab es zwischen den Jahren 2012 und 2022 Treffen zwischen Vertretern der Landesregierung – insbesondere des damaligen Staatssekretärs David Langner – und der Sana AG in Bezug auf deren Kaufinteresse am GKM und wenn ja, was hatten diese zum Inhalt?
Mit Schreiben vom 23. August wurde meine Kleine Anfrage dann, unterschrieben von Gesundheitsminister Clemens Hoch, wie folgt beantwortet:
„Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Vorbemerkung: Wie bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 18/384 ausgeführt, hat das Land Rheinland-Pfalz die Zusammenführung des Stiftungsklinikums Mittelrhein und des Gemeinschaftsklinikums Koblenz-Mayen zum Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) immer positiv begleitet.
Das Land hatte zunächst Fördermittel für die Modernisierung an beiden Standorten in Koblenz gemäß der ursprünglichen Konzeption zugesagt und nachdem eine Ein-Standort-Lösung in Koblenz angestrebt wurde, auch dafür eine umfassende Förderung im Rahmen der Krankenhausinvestitionsfinanzierung in Aussicht gestellt.
Bereits seit dem Jahr 2014 wurde jährlich eine Anlaufrate in Höhe von 5 Mio. € in das Krankenhausinvestitionsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommen, die bisher, aufgrund nicht bewilligungsreifer Planungen, nicht bewilligt werden konnten.
Im Juni 2019 wurde für die angestrebte Ein-Standort-Lösung am Standort Kemperhof das idealisierte Raum- und Funktionsprogramm durch das Gesundheitsministerium freigegeben und der Krankenhausträger zur Erstellung der Zielplanung aufgerufen, aus der sich dann die einzelnen Bauabschnitte ableiten. Bislang wurde von Seiten des Krankenhausträgers keine Zielplanung vorgelegt.
Grundlage der damaligen Fusion zwischen dem Stiftungsklinikum und dem Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen war ein Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Koblenz, Herrn Dr. Hofmann-Göttig, der zur Grundlage hatte, ein Gutachten über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen dem Stiftungsklinikum und dem Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen erstellen zu lassen. Dieses Gutachten wurde durch das Beratungsunternehmen Activa erstellt und hatte zum Ergebnis, dass der Zusammenschluss positive Ergebnisse erwarten lasse.
Auf Grundlage des Gutachtens gab es Verhandlungen der beiden Träger und nach hiesigem Kenntnisstand auch entsprechende Vereinbarungen zur Sicherung der einzelnen Standorte. Die gesellschaftsrechtlichen Verträge zur Fusion liegen dem Gesundheitsministerium nicht vor.
Die Vereinbarung zur Förderung der Baumaßnahmen an den beiden Koblenzer Krankenhäusern vom März 2014 beinhaltet neben der krankenhausplanerischen Festlegung der Bettenstruktur eines fusionierten Klinikums nur die Investitionsförderung der beiden Koblenzer Standorte des GKM unter Berücksichtigung der Fusion.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu Frage 1: Das Land hat den vorab dargestellten Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Hofmann-Göttig, der durch ein entsprechendes Gutachten untermauert wurde, unterstützt.
Von zentraler Bedeutung auch für die Sicherung der Krankenhausversorgung in der Region Mittelrhein ist, dass das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein im Bestand gesichert und dessen Wirtschaftlichkeit gestärkt wird. Sollte dies angesichts der anhaltend wirtschaftlich schwierigen Situation des GKM seit dem Jahr 2012 nach aktueller Einschätzung der Gesellschafter durch den Einstieg eines privaten Trägers gelingen, so wird dies von Seiten der Landesregierung nicht infrage gestellt. Die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser haben sich seit dem Jahr 2012 erheblich geändert. Die Erfahrungen im Rahmen der Geschäftsführung des GKM durch die Sana Kliniken AG, erkennbar u. a. an den durchgeführten Maßnahmen und vorliegenden Plänen zur Weiterentwicklung der Standorte des GKM, lassen erwarten, dass die Krankenhausversorgung in der Region Mittelrhein auch im Falle einer Übernahme des GKM durch die Sana Kliniken AG nicht nur grundsätzlich gesichert, sondern auch zukunftsfest aufgestellt werden kann.
Zu Frage 2: Die damalige Vereinbarung zur Förderung der Baumaßnahmen an den beiden Koblenzer Krankenhäusern vom März 2014 beinhaltete neben der krankenhausplanerischen Festlegung der Bettenstruktur eines fusionierten Klinikums nur die Investitionsförderung an den beiden Koblenzer Standorten des GKM unter Berücksichtigung der Fusion. Grundlage der Vereinbarung war nicht eine Koppelung an eine bestimmte Trägerschaft. Das Land bekennt sich zur Trägervielfalt aus öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern. Der bundesgesetzlich in § 1 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz normierte Trägerpluralismus trägt dazu bei, Anreize zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Krankenhausversorgung zu schaffen. Die Förderung bedarfs- und zukunftsfester Krankenhausstrukturen erfolgt unabhängig von der künftigen Trägerstruktur des GKM.
Zu Frage 3: Die Aussagen des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Hofmann-Göttig geben, sofern sie richtig wiedergegeben sind, seine persönliche Auffassung zum damaligen Zeitpunkt wieder.
Grundsätzlich kann bei jeder Übernahme eines Krankenhauses durch einen anderen Träger damit gerechnet werden, dass die bestehenden Strukturen hinterfragt werden. In Anbetracht der bundesweit sehr angespannten wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser, ist es Interesse und Ziel aller Krankenhausträger zukunftsfeste Strukturen aufzubauen und zu sichern. Vor diesem Hintergrund ist weder die Beibehaltung unwirtschaftlicher Strukturen bei nicht-privaten Krankenhausträgern garantiert, noch ist eine Aufgabe derartiger Strukturen zwingend bei einer privaten Trägerschaft zu erwarten.
Zu Frage 4: Die Gewährung von Fördermitteln für notwendige Baumaßnahmen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht, darf nicht mit Auflagen verbunden werden, durch die die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Krankenhäusern über die Erfordernisse der Krankenhausplanung und der wirtschaftlichen Betriebsführung hinaus beeinträchtigt werden. Unabhängig davon gibt es nach aktuellem Kenntnisstand des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit keine Überlegungen, Standorte des GKM zu schließen.
Zu Frage 5: Wie vorab ausgeführt, beinhaltete die Vereinbarung neben der krankenhausplanerischen Festlegung der Bettenstruktur eines fusionierten Klinikums ausschließlich die Förderung der Baumaßnahmen an den beiden Koblenzer Standorten des GKM. Die damalige Vereinbarung sah vor, dass beide Standorte modernisiert würden. Für die dafür notwendigen Maßnahmen wurden seinerzeit förderfähige Gesamtkosten in Höhe von insgesamt 74,311 Mio. € (Kostenstand 1. Quartal 2014) festgelegt. Es wurde 2014 eine Förderung von höchstens 59,45 Mio. € zuzüglich Baupreisindex, der in den Teilfestbeträgen berücksichtigt werden sollte, vereinbart.
Zu Frage 6: Das Gesundheitsministerium steht in Ausübung seiner Aufgabe als Krankenhausplanungsbehörde mit allen Trägern und den Geschäftsführungen der Plankrankenhäuser im Land in regelmäßigem Austausch, so auch mit dem Träger und der jeweiligen Geschäftsführung des GKM, die seit dem Jahr 2020 durch die Sana Kliniken AG wahrgenommen wird. Gegenstand der regelmäßigen Gespräche ist stets die Sicherstellung und Weiterentwicklung zukunftsfester Strukturen der stationären Krankenhausversorgung in Rheinland-Pfalz.
Das Gesundheitsministerium hat die schwierige wirtschaftliche Lage des GKM sehr ernst genommen und stand in einem engen Dialog zum Klinikum und seinen Gesellschaftern. Krankenhäuser sind aber eigenständige Unternehmen, die nach Bundesrecht selbstständig und unabhängig wirtschaften (siehe § 1 Absatz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz). Für die weitere Entwicklung des GKM gab es verschiedene Optionen, bis hin zum Einstieg eines starken Partners, die von Seiten des Krankenhausträgers bewertet und entschieden werden mussten und weiterhin müssen.“
Diese Antwort der Landesregierung beantwortet meine Fragen nur zum Teil. Insbesondere die Frage, ob es zwischen den Jahren 2012 und 2022 Treffen zwischen Vertretern der Landesregierung – insbesondere des damaligen Staatssekretärs David Langner – und der Sana AG in Bezug auf deren Kaufinteresse am GKM gab und wenn ja, was diese zum Inhalt hatten. Die Beantwortung wirft auch eine weitere, neue Frage auf: Stimmt es, dass die Idee der Fusion zwischen GKM und Stift vom damaligen Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig kam? Wie passt dazu die Aussage: „Das Land habe, insbesondere durch die damalige Gesundheits- und Sozialministerin Malu Dreyer, deutlich gemacht, dass es den Weg der Privatisierung nicht unterstützten würde, den der Kooperation oder Fusion aber gerne, und die Stadt Koblenz ermutigt, diesen Weg mitzugehen und in Aussicht gestellt, dieses „auch mit guten Mitteln zu unterstützen““?
Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo nur einer wirklich weiterhelfen kann: der damalige Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofman-Göttig. Er war damals dabei, wusste im Stadtrat zu berichten, war tief drin in der Thematik. 10 Jahre später wäre der Zeitpunkt gekommen ausführlich zu berichten. Noch ist es nicht zu spät!