„Datenlage ließ nur einen Schluss zu: Evakuierung – und das schnell!“

Stephan Wefelscheid, Obmann der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss, zur heutigen Ausschusssitzung:

MAINZ. In seiner siebten Sitzung im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags in Mainz setzte der Untersuchungsausschuss 18/1 „Flutkatastrophe“ seine Beweisaufnahme zu den tragischen Vorfällen des 14./15. Juli 2021 fort. Ein Sachverständiger und fünf Zeugen wurden angehört und vernommen. Dabei ging es insbesondere um die Rolle des Landesamtes für Umwelt (LfU) und Hochwasservorhersagen sowie erneut um Meldungen und Warnungen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal. Zudem wurde unter anderem ein Beweisbeschluss befasst, auch die damalige rheinland-pfälzische Klimaschutz- und heutige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel sowie Staatssekretär Dr. Erwin Manz zu vernehmen. Dies soll am Freitag, 11. März, erfolgen. Spiegel war zum Zeitpunkt der Katastrophe auch Dienstherrin des LfU, das unter anderem Hochwasservorhersagen erstellt.

Bewertung des Obmanns der FREIE WÄHLER-Fraktion:

Der Sachverständige Diplom-Meteorologe Karsten Schwanke machte meines Erachtens deutlich, dass die meteorologischen Auswirkungen aufgrund der Wettermodelle sehr gut vorhersehbar waren. Am Abend des 14. Juli 2021 habe man gewusst, dass es ein extremes Regenereignis gebe. Für mich stellte er klar heraus, dass selbst in der Ist-Vorhersage der Niederschläge am frühen Abend des 14. Juli noch genug Zeit gewesen wäre, die betroffenen Menschen zu evakuieren. Es habe aber wohl die Person gefehlt, die mit panischer Stimme gesagt habe: Wir müssen die Leute rausholen! Auch die Bevölkerung müsse zukünftig noch stärker darauf hingewiesen werden, was bei Hochwasser zu tun sei. Da bedürfe es noch einer Lernkurve. Auf meine Nachfrage erklärte der Sachverständige Schwanke, dass aufgrund der Meldungen der Meteorologen im Vorfeld des Hochwassers schon Medienanfragen bei ihm eingegangen seien für eine aktuelle Einschätzung der Lage. Auch beim SWR in Mainz habe er am Abend des 14. Juli angerufen und sich für einen Sonderbericht zur Wetterlage angeboten, dies sei jedoch abgelehnt worden unter Hinweis auf die ausreichenden regulären Wettersendungen im Programm. Ich werde dieser Frage nachgehen und auch diese Frage zur Aufklärung bringen!

In seiner erneuten Befragung wies der Zeuge Andreas Christ, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft beim Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz (MKUEM), auf meinen Vorhalt zur Pressemeldung des MKUEM vom Nachmittag des 14. Juli 2021 darauf hin, dass diese auf Grundlage des Lagebildes vom Vormittag des 14. Juli beruht habe, also nicht auf der Pegelvorhersage von 15.26 Uhr. Außerdem sei das MKUEM nicht Teil der Meldekette. Für mich war dies schwer nachzuvollziehen, kann ich mir doch kaum vorstellen als Ministerin nachmittags eine Pressemeldung zur Wetterlage rauszugeben, die angesichts der dramatischen Wetterlage nicht auf stundeaktueller Prognosen basiert. Unverständlich war für mich auch die Erklärung des Zeugen Christ auf meinen Vorhalt seiner E-Mail an Staatssekretär Erwin Manz vom Abend des 14. Juli. Hiernach habe er diesem zwar erklärt, dass die kommende Nacht entscheidend sei, wie dramatisch die Situation werde, er aber vorschlage morgen früh zu telefonieren, weil man dann mehr wisse. Für mich zeigt dies, dass man die Lage nicht richtig einzuschätzen vermochte.

Auch in der erneuten Anhörung des Zeugen Dr. Thomas Bettmann, Leiter der Abteilung Hydrologie im Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz, führte dieser neuerlich aus, dass am 14. Juli 2021 um 15.26 Uhr, als die Pegelprognosen höher als 5 Meter lagen, klar war, dass es zu einem extremen Hochwasserereignis kommen würde. Die Erstellung eines Hochwasserlageberichts als internes Dokument zur Unterrichtung der Ministerin und der Hausspitze sei daraufhin aber nicht erfolgt, weil solche Berichte nur nach einem festen Schema erstellt würden, nämlich einmal am Tag sehr früh morgens. Für mich ist nicht nachzuvollziehen, dass die Ministerin angesichts der dramatischen Wetterlage nicht auf weitere Lageberichte bestanden haben soll. Dieser Frage werde ich im weiteren Verlauf noch nachgehen müssen. 

Der Zeuge Norbert Demuth, Referat Hydrometeorologie im Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz, berichtete, er habe das Team des Hochwassermeldedienstes koordiniert und hausintern Meldungen getätigt, aber auch an das Ministerium. Auf meinen Vorhalt bezüglich einem vom Zeugen Molé in der jüngsten Sitzung geschilderten Telefonat mit dem DWD erklärte der Zeuge, nicht er selbst habe mit dem DWD für eine Beratung telefoniert, sondern ein Kollege. Im Anschluss an das Gespräch am 13. Juli 2021 habe man beschlossen erstmal die Konkretisierung der weiteren regionalen Entwicklungen bis zum nächsten Tag abzuwarten. Auf meine Nachfrage bezüglich hausinterner Meldungen am 13. Juli erklärte Demuth, sein Team sei informiert gewesen, ebenso seien seine Informationen in die Hochwasserlageberichte ans Ministerium eingeflossen. Dr. Bettmann sei informiert worden. Ob die hausinterne Spitze informiert worden sei, könne er jedoch nicht sagen. Für mich stellt sich auch hier die Frage, wieso man erst mit dem DWD angesichts der dramatischen Wetterlage telefoniert und sich die Datenlage verdeutlichen lässt, dann aber erst noch zuwartet.

Die Zeugin Dr. Margret Johst, Referat Hydrometeorologie des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz, betonte, dass es für die Ahr, anders als bei den größeren Flüssen, keinen eigenen Hochwassermeldedienst gäbe. Jedoch würden die Daten entsprechend verarbeitet und bei den hochwasserspezifischen Warnungen berücksichtigt.

 Der Zeuge Joachim Gerke, Leiter der Abteilung 3 (Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz) der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Koblenz, berichtete, dass Hochwassermeldepläne für den Landkreis Ahrweiler nicht vorliegen, jedoch nach der Hochwassermeldeverordnung die Verpflichtung bestanden habe diese gegenüber der SGD Nord aktiv vorzulegen. Warum diese nicht vorgelegt wurden und wieso die Staatsaufsicht die Erfüllung dieser Aufgabe nicht mit Nachdruck verfolgt hat, diesem gilt es im weiteren Verlauf nachzugehen.

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