Leider gibt es seit einigen Jahren die Entwicklung eines zunehmenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Gerade die Corona-Pandemie hat sich als Katalysator für antisemitisches Gedankengut erwiesen. So werden Verschwörungserzählungen verbreitet, die letztlich in Hass und Angst münden. Ein ums andere Mal hetzen Demagogen vor allem aus dem rechten Spektrum die Menschen auf und instrumentalisieren sie für ihre Zwecke.
Besonders schockierend ist auch zu erfahren, dass unlängst eine Überlebende des Holocaust und der Konzentrationslager bei einem russischen Angriff auf die Stadt Mariupol umgekommen ist. Zudem vor dem Hintergrund, dass das russische Außenministerium der ukrainischen Regierung pauschal Antisemitismus vorwirft und den russischen Angriffskrieg mit der abstrusen Behauptung begründet, man müsse die Ukraine von einer angeblich nationalsozialistischen Regierung befreien. Hier sieht man tagesaktuell, wie die Opfer des Nazi-Regimes noch heute instrumentalisiert und für Gewalt, Krieg und Hass missbraucht werden. Wer diese Hetze noch relativiert oder gar unterstützt, der kann sich der Verachtung aller demokratischen Kräfte gewiss sein!
Dass die Landesregierung nun mit dem „Antisemitismusbeauftragtengesetz“ die Rolle des Antisemitismusbeauftragten stärken und Rechtssicherheit schaffen will, kann ich – da wiederhole ich gerne meine Worte aus der Haushaltsdebatte – nur unterstützen. Denn in einer Zeit, in der antisemitische Verschwörungstheorien kursieren und in manchen Kreisen Judenfeindlichkeit wieder salonfähig zu sein scheint, braucht es ein klares Signal der Politik, dass diese Entwicklung nicht stillschweigend geduldet wird.
Nach wie vor haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern, und auch gegenüber dem kulturellen Erbe des Judentums in unserem Land, etwa die SchuM-Städte. Dieser Verantwortung bin ich mir bewusst, weshalb es mir ein besonderes Anliegen war, als gewählter Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz an den Veranstaltungen der Präsentation der Dokumentarfilme „Der Hölle entkommen – Kinder von Gurs überleben im Versteck“ und „75 Jahre Rheinland-Pfalz, Erfahrungen aus der Perspektive von Sinti und Roma“ teilzunehmen und mit Betroffenen und Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen. Diese Schilderungen haben mir erneut die Dramatik der Einzelschicksale vor Augen geführt, und dass die Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen ist, ja, nicht abgeschlossen sein darf!
Geschichte kann man zwar nicht ungeschehen machen, aber in dem Bewusstsein für die Zukunft daraus lernen.
Mir ist es ein persönliches Anliegen, den Blick insgesamt auch auf die „Verwicklungen“ von Mitarbeitern in Verwaltung und Justiz im NS-Unrechtsregime zu richten. Denn wenn Zeitzeugen schildern, dass die Person, die damals für ihre Deportation verantwortlich war, dem Überlebenden nach der Rettung als Verwaltungsmitarbeiter gegenübersaß und diese Person dann erneut maßgebliche Entscheidungen für sein Leben trifft -als Vertreter des Staates- dann vermag ich mir kaum vorzustellen, welche seelische Belastung das für den Menschen bedeutet haben muss. Die Vergangenheit aufzuarbeiten, Antisemitismus zu bekämpfen und ihm präventiv entgegenzuwirken muss unsere volle Unterstützung genießen.
Über dieses Gesetz hinaus wünsche ich mir jedoch auch in Zukunft weiterhin klare, spürbare Bekenntnisse zu unseren jüdischen Mitmenschen, damit diese sich in Zukunft sicher und wohl und auch willkommen in unserem Land und bei der Ausübung ihres Glaubens fühlen können. Die FREIE WÄHLER Fraktion wird dem Landesgesetz über die Beauftragte oder den Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz (Antisemitismusbeauftragtengesetz) jedenfalls gerne zustimmen.
Es gilt das gesprochene Wort.