20. Plenarsitzung – Stephan Wefelscheid in der Haushaltsberatung zum Einzelplan 5 (Justiz)

Uns als Oppositionspartei fällt es klassischerweise zu, die Arbeit der Landesregierung zu kritisieren und den Finger in die Wunde zu legen. Doch als Sachpolitiker freue ich mich, wenn etwas gut läuft und ich der Regierung für ihre Arbeit ein Lob aussprechen kann. Denn auch das ist die Aufgabe einer Opposition, die sich der Sache verschrieben hat: Zu loben und hervorzuheben, wo Resultate erzielt und Erfolge verzeichnet werden.

Ein solches Lob möchte ich der Landesregierung zur Justiz und dem dazu vorliegenden Haushaltsansatz aussprechen.

Denn die Landesregierung scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Unser Justizvollzug, die Gerichte und die Staatsanwaltschaften stehen vor Herausforderungen, die mit der gegenwärtigen Aufstellung nur noch defizitär zu bewältigen sind.

Allem voran geht hier der chronische Personalmangel, der bereits seit Jahren zunehmend die Handlungsfähigkeit unseres Justizwesens einschränkt und somit unseren Rechtsstaat schwächt. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender und komplexer werdender Verbrechen und Vergehen etwa im Bereich der Cyberkriminalität oder im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie benötigt unser Land eine intakte, funktionsfähige Justiz. Dafür müssen die Defizite der vergangenen Jahre zügig aufgeholt, vakante Stellen nachbesetzt und Entlastung durch zusätzliches Personal geschafft werden.

Daher begrüßen wir den deutlichen Aufwuchs um 98 Stellen vornehmlich zur Stärkung unserer Gerichte, den die Landesregierung in diesem Haushaltsentwurf vorsieht. Hier werden Nägel mit Köpfen gemacht, das unterstütze ich ausdrücklich und sehe ich als eine wichtige Fortführung des in den letzten Jahren beschrittenen Weges.

Auch, dass die Digitalisierung endlich als zentrale Aufgabe wahrgenommen und priorisiert wird, möchte ich als guten Schritt in die richtige Richtung hervorheben. Denn nur so wird das Arbeiten in den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungen effizienter, eine echte Entlastung. Die Zusammenarbeit mit der Polizei kann so vereinfacht und heutigen Herausforderungen wie Cyberkriminalität, Hasskommentaren und Hetze im Internet schneller und besser begegnet werden. Als konkrete Beispiele möchte ich hier die Durchführung des Elektronischen Examen und die Einführung der Elektronischen Akte (eAkte) anführen, welche die Arbeit und Ausbildung vereinfachen und in unsere moderne Zeit bringen.

Wünschenswert wäre allerdings auch hier gewesen, dass diese notwendigen Schritte schon früher unternommen worden wären, und ich möchte dringend an die Landesregierung appellieren, den Weg des Fortschreitens nicht zu verlassen. Denn wir haben einiges aufzuholen. Aufschub können wir uns, das hat Corona deutlich gezeigt, in dieser schnelllebigen und dynamischen Zeit nicht leisten.

Leider gibt es Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die unser Justizwesen auch mit Blick auf die kommenden Jahre zunehmend beanspruchen werden. Die Corona-Pandemie hat sich als Katalysator für rechtsextremes, demokratiefeindliches und auch antisemitisches Gedankengut erwiesen. Unter dem Deckmantel der Verteidigung gegen vermeintliche staatliche Übergriffigkeit haben sich viele, manipuliert und geblendet von verdrehten Fakten und gefährlichen Falschaussagen, von dem demokratischen Diskurs ab- und den Demagogen der Querdenker und Wissenschaftsleugner zugewandt.

Auch die Verwendung des „Z“-Symbols, Zeichen der Unterstützung für Putins Angriffskrieg in der Ukraine, sollte uns klar signalisieren, dass in Teilen der Bevölkerung der Rückhalt für unsere demokratischen Werte längst nicht so stark ist wie es lange Jahre angenommen wurde. Daher rührt unsere Initiative als FREIE WÄHLER, eine solche Verhöhnung der ukrainischen Opfer nicht zuzulassen und ein Verbot dieses Symbols zu fordern.

Dass die Landesregierung nun mit dem „Antisemitismusbeauftragtengesetz“ die Rolle des Antisemitismusbeauftragten stärken und Rechtssicherheit schaffen will, kann ich nur unterstützen. Denn in einer Zeit, in der antisemitische Verschwörungstheorien kursieren und in manchen Kreisen Judenfeindlichkeit wieder salonfähig zu sein scheint, braucht es ein klares Signal der Politik, dass diese Entwicklung nicht stillschweigend geduldet wird.

Nach wie vor haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern, und auch gegenüber dem kulturellen Erbe des Judentums in unserem Land, etwa die SchuM-Städte. Dieser Verantwortung bin ich mir bewusst, weshalb es mir ein besonderes Anliegen war, als gewählter Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz an den Veranstaltungen der Präsentation der Dokumentarfilme „Der Hölle entkommen – Kinder von Gurs überleben im Versteck“ und „75 Jahre Rheinland-Pfalz, Erfahrungen aus der Perspektive von Sinti und Roma“ teilzunehmen und mit Betroffenen und Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen. Diese Schilderungen haben mir erneut die Dramatik der Einzelschicksale vor Augen geführt, und dass die Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen ist, ja, nicht abgeschlossen sein darf!

Geschichte kann man zwar nicht ungeschehen machen, aber in dem Bewusstsein für die Zukunft daraus lernen. Die Umbenennung der bei Juristen seit Jahrzehnten etablierten Standardwerke „Schönfelder“ und „Palandt“ zu „Habersack“ und „Grüneberg“ ist in Zeiten wiedererstarkenden Antisemitismus ein Zeichen der Entnazifizierung.

Mir ist es ein persönliches Anliegen, den Blick insgesamt auch auf die „Verwicklungen“ von Mitarbeitern in Verwaltung und Justiz im NS-Unrechtsregime zu richten. Denn wenn ein Zeitzeuge schildert, dass die Person, die damals für seine Deportation verantwortlich war, ihm nach seiner Rettung als Verwaltungsmitarbeiter gegenübersaß und dieser erneut maßgebliche Entscheidungen für sein Leben trifft -als Vertreter des Staates- dann vermag ich mir kaum vorzustellen, welche seelische Belastung das für den Menschen bedeutet. Die Vergangenheit aufzuarbeiten, Antisemitismus zu bekämpfen und ihm präventiv entgegenzuwirken muss unsere volle Unterstützung genießen.

Über dieses Gesetz hinaus wünsche ich mir jedoch auch in Zukunft klare, spürbare Bekenntnisse zu unserer jüdischen Minderheit, damit diese sich in Zukunft wieder sicher und wohl in unserem Land und bei der Ausübung ihres Glaubens fühlen kann.

Wir FREIE WÄHLER begrüßen daher den Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Antisemitismusbeauftragtengesetz.

Zurück zum Haushalt:

Als FREIE WÄHLER habe wir uns immer für die Beamten eingesetzt, die sich in den Dienst der Gesellschaft und deren Sicherheit stellen. Das habe ich bereits in meiner gestrigen Rede deutlich gemacht und will es auch hier noch einmal ausdrücklich betonen.

Wir sind überzeugt davon, dass den Beamten im Justizvollzug eine besondere Anerkennung und Wertschätzung entgegenkommen muss und treten hierfür mit zwei Änderungsanträgen zum Einzelplan 05 und dem flankierenden Entschließungsantrag „Materielle und personelle Stärkung – Justizvollzugsbeamte schätzen und schützen“ ein.

Wie ich aus Schilderungen, aber auch aus den Besuchen von Justizvollzugsanstalten im Sommer letzten Jahres mitnehmen konnte, ist die Mehrbelastung im Strafvollzug deutlich spürbar und schnelle Reaktionen geboten.

Die uns vorliegenden Zahlen belegen, dass die personelle und materielle Ausstattung im Strafvollzug sowie die derzeitige Beförderungspraxis nicht ausreichend sind.

Mit der Verantwortung und den Führungsanforderungen in den im unseren Antrag benannten Laufbahnen muss auch eine angemessene Besoldung einhergehen. Die schleppende Beförderungspraxis des gehobenen Dienstes ist hierbei in allen Vollzugseinrichtungen der Länder feststellbar und führte infolgedessen etwa zu Stellenerhöhungen im Allgemeinen Vollzugsdienst und in den Fachdiensten. Festzustellen ist jedoch, dass Mehrbelastungen hier gleichsam auch das Personal des Vollzugs- und Verwaltungsdienstes im 3.Einstiegsamt treffen, bei denen eine Stellenplanerhöhung in dieser Laufbahn bei weitem unberücksichtigt geblieben ist. Ein Tätigwerden sehen wir hier für unabdingbar.

Zwar trägt grundsätzlich die Anstaltsleitung die Verantwortung für den gesamten Strafvollzug in den Justizvollzugsanstalten, sie kann aber bestimmte Aufgaben anderen Vollzugsbediensteten übertragen. Hiervon wird auch Gebrauch gemacht, so dass verantwortungsvolle Leitungsaufgaben einer Justizvollzugsanstalt hauptsächlich an die Vollzugs- und Verwaltungsabteilungsleiter im 3. Einstiegsamt delegiert werden.

Hierbei liegt der Aufgabenschwerpunkt in der eigenverantwortlichen Leitung der zugeordneten Sachgebiete. Bedienstete des 3.Einstiegsamtes müssen damit einhergehend tagtäglich weitreichende und risikobehaftete Entscheidungen für sich und die Inhaftierten treffen. Wie Verfahren vor unseren Gerichten gezeigt haben, führen diese Vollzugsentscheidungen nicht selten auch zu persönlichen Konsequenzen für das Personal. Dies wirkt sich wiederum auf Überstundenzeiten, die physische und die psychische Belastung aus, um nur einige zu nennen.

Deshalb fordern wir 5 zusätzliche Stellen Besoldungsgruppe A 13, 3. Einstiegsamt, 5 Stellen zusätzlich Besoldungsgruppe A 12, 3. Einstiegsamt und 8 Stellen zusätzlich Besoldungsgruppe A 9 + AZ, 2. Einstiegsamt.

Dass es unseren Justizvollzugsbeamten darüber hinaus an einer sachgerechten Materialausstattung fehlt, bedarf der expliziten Erwähnung. Deshalb sehen wir es als einen ersten Schritt den Justizvollzugsbeamten für ihren persönlichen Schutz personalisierte Schutzwesten zur Verfügung zu stellen. Dies wäre auch ein deutliches Symbol der Wertschätzung des individuellen Einsatzes für unsere Gesellschaft.

Es gilt das gesprochene Wort.

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